Verbände ermitteln H2-Marktindex - „Innovationsumfeld“, „Infrastrukturausbau“, „Politisch-regulatorischer Rahmen“ und „Marktentwicklung“ – diese Themenfelder stehen im Fokus bei der Ermittlung eines H2-Marktindexes.
Zwar steigt die Zustimmung für die Wasserstoffnutzung, die politische Unterstützung aber – so das Ergebnis einer aktuellen Online-Befragung von Stakeholdern der Wasserstoffwirtschaft im Sommer dieses Jahres – hat immer noch viel Luft nach oben und der tatsächliche Hochlauf droht zu stocken.
Der H2-Marktindex zielt darauf ab, die Wahrnehmung von Marktakteuren bezüglich der Entwicklung eines Wasserstoffmarktes in Deutschland zu ermitteln. Durchgeführt wurde die Befragung von Stakeholdern der Wasserstoffwirtschaft vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln gGmbH (EWI) im Auftrag des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW), dem Verband der Chemischen Industrie e. V. (VCI), dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) und der Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl).
Aus der aktuellen Befragung ist abzulesen, dass die Bewertung des Wasserstoffhochlaufs unter deutschen Marktteilnehmern im Vergleich zum vergangenen Jahr in der Zustimmung leicht gestiegen ist. Das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Interesse an Wasserstoff hat zugleich zugenommen. Der sogenannte H2-Marktindex liegt nun bei 44 von 100 möglichen Punkten und stieg damit um 2 Punkte an (2023: 42 Indexpunkte). Zugleich verdeutlicht die Befragung eindrücklich, dass der tatsächliche Hochlauf aus Sicht der Teilnehmer insgesamt besser laufen könnte. Dabei schätzen drei Viertel der Marktakteure die Bedeutung von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland als hoch und sehr hoch ein (76 Prozent der Befragten). Genauer betrachtet, zeigt sich in den vier im Fokus stehenden Themenfeldern aber ein gemischtes Stimmungsbild.
Innovationsumfeld
Das Themenfeld Innovationsumfeld wird mit 57 Punkten als das positivste bewertet. Dabei gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen Stakeholdergruppen: So bewerten Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen (63) sowie Fernleitungsnetzbetreiber (62) das Innovationsumfeld am positivsten. Hersteller von H2-Produktion und Power-to-X sowie Industrie-Stakeholder (49 Punkte in Chemie, 48 bei Eisen und Stahl) schätzen das Umfeld hingegen eher neutral ein. Größter Innovationsbedarf besteht der Untersuchung zufolge bei der Wasserstofferzeugung (35 Prozent der Befragten). In der Chemiebranche ist grauer Wasserstoff bisher die Norm, grüner und kohlenstoffarmer Wasserstoff befinden sich noch am Anfang des Hochlaufs.
Infrastrukturausbau
Auch wenn im Vergleich zum Vorjahr der Indexwert für das Themenfeld Infrastrukturausbau von 27 auf 31 Punkte gestiegen ist, täuscht die positivere Wahrnehmung nicht über die Skepsis der Marktakteure beim Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur hinweg. Zwar gab es zuletzt große Fortschritte, wie etwa die Konkretisierung1) der Pläne der Fernleitungsnetzbetreiber zum Aufbau eines circa 9.000 Kilometer langes Wasserstoff-Kernnetzes, das bis 2032 entstehen soll. Mit einer Zunahme um 7 Indexpunkte von 31 (2023) auf nun 38 fiel auch die Bewertung der Pipelineinfrastruktur im Gesamtkontext überdurchschnittlich gut aus.
Auch die Bewertungen des Ausbaus von Speicher- und Importinfrastruktur haben sich leicht verbessert – beide Felder kommen nun auf 28 Indexpunkte (2023: 25 Punkte). Jedoch sei – so die Einschätzung von Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) – der Blick der Stakeholder auf wesentliche Faktoren, die den Hochlauf negativ beeinträchtigen können, besorgniserregend. Denn die hohen Investitionskosten (55 Prozent), hohe Investitionsrisiken (49 Prozent) und die begrenzte Verfügbarkeit von Wasserstoff (46 Prozent) würden von Marktakteuren übergreifend als die drei größten Hemmnisse identifiziert. „Unser technischer Nachweis, dass die vorhandene Infrastruktur H2-ready ist, dient als Basis für Transport, Speicherung und Import. Jetzt geht es darum, den politischen und regulatorischen Rahmen so zu gestalten, dass industrielle Investitionszurückhaltungen reduziert werden. Wichtig sind die Beschleunigung einer Regionalplanung und eine Fokussierung auf den Ausbau der Verteilnetze. Ein klares Bekenntnis der Politik, dass auch blauer Wasserstoff zur Überbrückung von Importlücken auf dem Weg zur Klimaneutralität unverzichtbar ist, wäre zudem ein wichtiges Signal“, so Linke.
Politisch-regulatorischer Rahmen
Da der politische und regulatorische Rahmen für den weiteren Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft von außerordentlicher Bedeutung ist, überrascht es, dass der politische Wille für die Einführung von Wasserstoff in Deutschland von Marktakteuren weiterhin nur mit 51 Indexpunkten bewertet wird.
Noch wichtiger als die Einschätzung des politischen Willens ist die Bewertung des bestehenden rechtlichen Rahmens für Wasserstoff, denn dieser Rahmen definiert die realen Bedingungen. Hier ist die aktuelle Einschätzung der befragten Marktakteure negativ (35 Indexpunkte). Als größtes regulatorisches Hindernis für den Hochlauf des Wasserstoffmarktes wird übermäßige Regulierung genannt.
Marktentwicklung
Der Index bestätigt, dass der Wasserstoffhochlauf ins Stocken gerät. Der Stand des Markthochlaufs wird mit 35 Punkten eher negativ bewertet und fällt damit noch schlechter aus als im vergangenen Jahr. Derzeit zögern sowohl die Produzenten als auch die Abnehmer von Wasserstoff mit ihren Investitionen. Ein zentrales Problem liegt in der erheblichen Planungsunsicherheit. Dabei geht es – neben der Entwicklung der Infrastruktur und der Förderung des Angebots – vor allem um die Voraussetzungen für die Anwenderseite, also die wasserstoffnutzende Industrie. Denn für Investitionen in das Wasserstoffangebot braucht es eine planbare Nachfrage.
Weiterhin zeigt die Befragung zu Treibern und Hemmnissen des Markthochlaufs drei Bereiche auf, die für Unternehmen zur Investition entscheidend sind: Schaffung von Investitionssicherheit, angebotsseitige Förderprogramme und die richtige politische Zielsetzung – die aber nur durch entsprechendes politisches Handeln glaubwürdig wird.
Quellen:
1) Die Bundesnetzagentur hat das von den Fernleitungsnetzbetreibern vorgeschlagene Wasserstoff-Kernnetz am 22.10.2024 genehmigt.
Bild-Quelle: DVGW