Interview mit Dipl.-Ing. Norbert Scheffler

Mit dem fortschreitenden Ausbau der Offshore-Windenergie ist neben dem anspruchsvollen Bau der Windenergieanlagen selbst auch der nicht minder anspruchsvolle Anschluss an das Onshore-Übertragungsnetz erforderlich. Für diesen Anschluss sind in der Regel eine Seekabelverlegung sowie eine Landkabelverlegung bis zu einem Einspeisepunkt notwendig. 

Die langen Planungs- und Genehmigungsverfahren stellen hierbei die zum Anschluss der Offshore-Windparks verpflichteten Netzbetreiber vor große Probleme und sind ein Hemmschuh für potenzielle Investoren. Denn die Auflagen aus Umweltschutz- und Anliegerbelangen sowie Auflagen der Länder, Kreise und Kommunen müssen bei so einer Maßnahme unter einen Hut gebracht werden.

Die rbv-Nachrichten-Redaktion sprach über dieses Thema mit Dipl.-Ing. Norbert Scheffler, Fachbereichsleiter Ortsversorgung bei der Bohlen & Doyen Bauunternehmung GmbH, Wiesmoor, der im Gespräch seine Erfahrungen aus Sicht eines Leitungsbauunternehmens schildert.

rbv-Nachrichten: Mit welchen Behinderungen müssen sich Leitungsbau-unternehmen bei der Ausführung von Landkabelverlegungsmaßnahmen aufgrund mangelnder oder auch baubegleitender Planung einstellen? 

Scheffler: Die Behinderungen fangen im Grunde schon bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen an. Oft fehlen klare Angaben gerade in Bezug auf die Genehmigungssituation und die damit verbundenen Kosten. Umso schwieriger gestaltet sich dann die Erstellung eines entsprechenden Angebotes, das ja verschiedensten Ansprüchen genügen muss. Der Auftraggeber wünscht sich unter anderem ein wirtschaftliches Angebot und eine qualitativ hochwertige Ausführung. Für das ausführende Unternehmen muss die Baumaßnahme natürlich auskömmlich sein und das verbleibende Risiko abschätzbar sein. Das ist oft schon ein Spagat, der nicht zu meistern ist. Und je unklarer die Ausschreibungsunterlagen sind, desto schwieriger wird die Angelegenheit. Hinzu kommt eine Fülle von Regelungen, die teilweise nur für bestimmte Bundesländer gelten. 

Zum Beispiel die Straßensondernutzungsregelungen in Schleswig-Holstein oder die Tatsache, dass eine übliche Baustraße entlang der Kabeltrasse nicht erlaubt ist. Auch solche Bestimmungen legen den Bauunternehmen bei der Ausführung Steine in den Weg. Und in der Summe binden unklare Ausschreibungen und eine oft nicht mehr überschaubare Flut an Bestim-mungen und Vorgaben die Kapazitäten der Mitarbeiter, die sich hiermit auseinandersetzen müssen – aufseiten der Unternehmen ebenso wie auf Auftraggeberseite. Mein Appell geht daher in Richtung aller Verantwortlichen – Politik, Behörden, Betreiber und Verbände –, sich an einen Tisch zu setzen und klare Strukturen und Vorgaben zu schaffen, an denen sich alle Betei-ligten verbindlich orientieren können. Nur so werden wir es schaffen, die vielen (Bau-)Aufgaben anzugehen und zu bewältigen, die sich aus der Umsetzung der Energiewende ergeben.

rbv-Nachrichten: Welche Folgen ergeben sich daraus für Leitungsbauer, Netzbetreiber und Endabnehmer? 

Scheffler: Das lässt sich im Grunde genommen auf einen Nenner bringen: Die Verzögerungen kosten in erster Linie Geld. Die Netzbetreiber haben die Verpflichtung, die Leitungen für den Transport des auf See erzeugten Windstroms im vorgegebenen Zeitraum bereitzustellen. Schaffen sie das nicht, müssen sie hierfür zahlen. Ebenso wie die Leitungsbauunternehmen, die sich – vertraglich meist schon festgelegt – bei Verzögerungen einer Baumaßnahme mit horrenden Konventionalstrafen konfrontiert sehen. Und der Endabnehmer greift in Form von stetig steigenden Gebühren ebenfalls tiefer in die Tasche.

rbv-Nachrichten: Welche Varianten bei der Landverlegung gibt es? Worin liegen die jeweiligen Vor- und Nachteile? 

Scheffler: Grundsätzlich sprechen wir von der AC – Wechselstromvariante oder der DC – Gleichstromvariante. In der Regel bestimmt der Betreiber, welche Variante zum Einsatz kommt. Darüber hinaus gibt es natürlich technische und bauliche Parameter, die die Wahl des Systems beeinflussen. Zu nennen sind hier die Übertragungsleistung und die Länge der Leitung. So ist ab einer Länge von mehr als 30 km die Nutzung einer Gleichstromleitung deutlich wirtschaftlicher. Zudem gibt es weniger Übertragungsverluste. Auch bei der Ausführung macht sich das im Grunde genommen bemerkbar: Während bei Gleichstromleitungen zwei Kabel pro System verlegt werden, sind es bei Wechselstrom 3 Kabel pro System und zusätzlicher Erdung, woraus sich eine höhere Anzahl an Trommeln und ein höherer logistischer Aufwand ergeben.

rbv-Nachrichten: Welche Aspekte bestimmen die Arbeitsausführung bei den Tiefbauarbeiten zur Kabelverlegung? 

Scheffler: Unter verlegetechnischen Gesichtspunkten vor allem die Bodenverhältnisse und die zu kreuzenden natürlichen und künstlichen Hindernisse. Während es im Norden vorwiegend „baufreundliche“ Böden gibt, wird das Arbeiten in Regionen mit steinigen und felsigen Boden-strukturen deutlich arbeitsintensiver und damit auch teurer. Gleiches gilt für das Baufeld: Auf dem freien Feld geht es natürlich schneller voran als in städtischen Ballungsräumen oder in Gebieten, in denen besondere naturschutzrechtliche Auflagen bestehen.

rbv-Nachrichten: Welche technischen Besonderheiten sind bei der Land-kabelverlegung zum Anschluss der von See kommenden Kabel an ein vorhandenes Umspannwerk des zuständigen Netzbetreibers zu beachten, wenn man Begriffe wie Logistik, Trommelgewichte, thermische Bettung oder Muffengruben berücksichtigt? 

Scheffler: Heute sind Trommeln mit einem Durchmesser von bis zu 4 m und einem Gewicht von rund 20 t gebräuchlich, Tendenz steigend bis zu 40 t. Das wird einen erheblichen Einfluss auf die Logistik, aber auch auf die Handhabung dieser enormen Gewichte vor Ort an der Einbaustelle haben. Die Kabel werden grundsätzlich in eine Sandbettung verlegt, und eine steinfreie Grabensohle ist zwingend erforderlich. Lediglich an Stellen mit starker Wärmeentwicklung – sogenannten „Hotspots“ – müssen besondere Bettungsmaterialien eingesetzt werden. Auch die Montage von Muffen in einer temporären Grube sind weitestgehend standardisiert. In der Regel wird ein Montagecontainer installiert, der dafür sorgt, dass die Arbeiten staubfrei und trocken durchgeführt werden können. Üblicherweise werden die Muffen nach der Montage ebenfalls auf eine Sandsohle abgelegt und eingesandet. Nur in Ausnahmefällen wird ein dauerhaftes Betonfundament/ Betonbauwerk als Auflager erstellt.

rbv-Nachrichten: Welches Fazit ziehen Sie aus den gemachten Erfahrungen? 

Scheffler: Im Zuge der Energiewende ist vieles in Bewegung geraten. Die von der Regierung beschlossene Umsetzung der Energiewende stellt Politiker, Netzbetreiber, Kommunen, Verbände, Unternehmen und Verbraucher vor große Herausforderungen. Wir alle sind zum Umdenken gezwungen, um diese Herkulesaufgabe bewältigen zu können. Wir brauchen vor allem klare Vorgaben, an denen sich die Beteiligten orientieren können, und wirkungsvolle Instrumente, die die mit der Umsetzung betrauten Personenkreise nutzen können.

Herr Scheffler, wir bedanken uns für das Interview. 

 


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