Ist es aus technisch-wissenschaftlicher Sicht möglich, die Wärmenutzung von Trinkwasser aus dem Rohrnetz zu ermöglichen? Und wie lassen sich durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen die hygienischen Risiken minimieren? Der DVGW hat hierzu ein Positionspapier vorgelegt.
(Bildquelle: DVGW)
In den DVGW-Lenkungskomitees „Wasserwirtschaft/Wassergüte“ und „Wasserverteilungssysteme“ wurden aktuell die beiden eingangs beschriebenen Fragestellungen diskutiert. Wesentliche Aspekte hierzu werden im Positionspapier näher erläutert.
Aspekte neu überdenken
Aktuell gibt es in vielen Regionen Deutschlands Überlegungen, ob und wie die öffentliche Wasserversorgung mit einer Wärmenutzung aus Trinkwasser einen Beitrag zum Klimaschutz und der kommunalen Wärmeplanung leisten könnte. Im Jahr 2010 hat der DVGW eine Position zur Wärmegewinnung aus Trinkwasser veröffentlicht, die sich unter den damaligen Rahmenbedingungen aus grundsätzlichen Erwägungen gegen eine derartige Nutzung ausgesprochen hat. Dabei standen insbesondere Anlagen im Vordergrund, die das Trinkwasser direkt aus dem Rohrnetz entnehmen, die Wärme entziehen und anschließend das Trinkwasser wieder ins Rohrnetz zurückspeisen. Letztlich wurde die Position zu diesen Anlagen auch in der neuen Trinkwasserverordnung im § 13 Absatz 5 manifestiert. Aus diesen Gründen wurden bislang in Deutschland Anlagen zum Wärmeentzug von Trinkwasser aus dem Rohrnetz nicht installiert. Ausnahmen bestehen gemäß § 13 Absatz 6 der Trinkwasserverordnung, die nicht Gegenstand dieses Positionspapiers sind.
Potenzial für Klimaschutz nutzen
Derzeit gibt es bundesweit an mehreren Standorten konkrete Überlegungen für Pilotvorhaben, die eine Wärmenutzung von Trinkwasser aus dem Rohrnetz umsetzen möchten, um damit die energetischen Potenziale für einen Beitrag zum Klimaschutz zu heben. Würde man z. B. ein Drittel der Trinkwasserabgabemenge zum Letztgebrauch aus 2019 (rd. 1,58 Mrd. m3) in Deutschland für die Wärmegewinnung nutzen, ergäbe sich bei einer Abkühlung des Trinkwassers von 4 Kelvin (entspricht 4,64 kWh/m3) daraus bundesweit ein Potenzial von rd. 7,3 Terawattstunden pro Jahr oder rd. 14,3 Prozent der Fernwärmenutzung der privaten Haushalte im Jahr 2022.
In der Schweiz wird an mehreren Standorten die Wärmenutzung aus Trinkwasser bereits seit über 20 Jahren praktiziert, ohne dass die Qualität des Trinkwassers nachteilig verändert wurde. Der SVGW hat dazu im Juli 2023 die Information WF15000 „Wärmenutzung aus Trinkwasser“ veröffentlicht, in der die grundsätzlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen beschrieben sind. Darüber hinaus gibt es auch in Österreich aktuell erste Überlegungen für die Wärmenutzung aus Trinkwasser.
Nun wurde auch in den DVGW-Lenkungskomitees „Wasserwirtschaft/Wassergüte“ und „Wasserverteilungssysteme“ aktuell diskutiert, ob man aus technisch-wissenschaftlicher Sicht die Wärmenutzung von Trinkwasser aus dem Rohrnetz ermöglichen kann und wie sich dabei durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen die hygienischen Risiken minimieren lassen.
Qualität des Trinkwassers steht an erster Stelle
Nach sorgfältiger Abwägung aller in diesem Zusammenhang relevanten Faktoren kommt das Positionspapier zu folgendem Fazit: Eine Anlage zur Wärmenutzung aus Trinkwasser kann als Teil des Versorgungssystems nur vom Wasserversorger unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik betrieben werden. Für Planung, Ausführung und Betrieb von Wärmenutzungsanlagen sind grundsätzlich Gefährdungsanalysen samt Risikobeurteilungen durchzuführen und Maßnahmen der Risikominderung festzulegen. Die einwandfreie Qualität des Trinkwassers steht an erster Stelle, sie darf zu keinem Zeitpunkt gefährdet werden. Genehmigung und Betrieb der Anlagen sind mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzustimmen. Unter den o.g. Rahmenbedingungen bzw. Anforderungen kann die Wärmenutzung aus Trinkwasser einen Beitrag zum Klimaschutz und der kommunalen Wärmeplanung leisten. Um dies dann auch in der Realität umsetzen zu können, bedarf es dann noch einer zeitnahen Ergänzung des § 13 Absatz 6 der Trinkwasserverordnung.
Hier finden Sie das vollständige Positionspapier vom 23. Juli 2024 zur Wärmenutzung aus Zubringer-, Haupt- und Versorgungsleitungen der öffentlichen Wasserversorgung: