Dringend Nachbesserung erforderlich - Scharfe Kritik aus der Branche erntet der im April vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes. Die mangelnde Technologieoffenheit für die ab 2024 neu zu installierenden und zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreibenden Heizungen biete zu wenig Spielraum für die Nutzung klimaneutraler Gase.
Mehr als ein Drittel des gesamten Energiebedarfs in Deutschland wird zum Heizen der Gebäude und zur Versorgung mit Warmwasser verwendet. Die Novelle soll einen maßgeblichen Beitrag leisten zur Erreichung des Ziels „Klimaneutralität bis 2045“.
Einer der Hauptkritikpunkte von Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW), ist jedoch die mangelnde Technologieoffenheit der Novelle: „Mit dem Gebäudeenergiegesetz in seiner jetzigen Form straft die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürger sowie den deutschen industriellen Mittelstand in nie gekanntem Ausmaß ab. Es ist eine Ohrfeige für Millionen von Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen, die zukünftig klimafreundliche Gase als Heizenergie oder für Fertigungsprozesse nutzen wollen.“ Die Pläne der Bundesregierung, so Linke, gingen an der Lebenswirklichkeit in Deutschland sowie den Anforderungen an die betriebliche Praxis vorbei. Das Gebäudeenergiegesetz erwecke in der vorliegenden Form den Eindruck, als müsse es als Steigbügel herhalten, um durch die Hintertür eine Vollelektrifizierung der Energieversorgung einzuleiten.
„Anders ist es nicht zu erklären, dass für die längst begonnene, dringend benötigte Anpassung der Infrastruktur zur Nutzung von Biomethan und Wasserstoff derart hohe Hürden aufgebaut werden: So muss das gesamte Gasnetz schon bis Ende 2034 vollständig mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden – und nicht erst 2045. Die Gasnetzbetreiber sind gezwungen, schon zu Anfang 2024 einen Transformationsplan für klimaneutrale Gase vorzulegen, während die Wärmenetzbetreiber dafür bis Ende 2026 Zeit haben. Zusätzlich soll die Durchleitung von Biomethan im Gasnetz nach 2034 de facto verboten werden. Dem Heizen mit Biomethan wird dadurch jede Chance versagt – trotz des erheblichen inländischen Erzeugungspotenzials, das zusammen mit dem von Wasserstoff reichen würde, den deutschen Wärmemarkt komplett zu versorgen.“
Technologieoffenheit notwendig
Unter diesen Umständen, so Linke weiter, werde der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft vollständig im Keim erstickt und stattdessen sehenden Auges ein riskanter Weg in die zukünftige Energieversorgung genommen. Die Konsequenzen reichten dabei weit über den Gebäudebestand hinaus. Ohne eine Transformation der Gasnetze könnten auch die Industrie und der Mittelstand nicht flächendeckend mit klimaneutralem Gas beliefert werden. Eine Deindustrialisierung und weitgehende Abwanderung bedeutender Wirtschaftssektoren könnten laut Linke eine Konsequenz sein.
Um dies zu verhindern, lautet seine Forderung: „Das Gesetz muss im parlamentarischen Verfahren dringend nachgebessert werden. Nur wenn allen technologischen Optionen, die auf eine Senkung der CO2-Emissionen einzahlen, die Türen geöffnet werden, kann der Heterogenität des Gebäudebestands und den Bedürfnissen von Industrie und Mittelstand Rechnung getragen werden.“ (DVGW)
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