Ukraine-Krieg belastet Baukonjunktur - Erhebliche Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Baustoffen machen der deutschen Bauwirtschaft aktuell stark zu schaffen. Dies belegen eine Konjunkturumfrage des ZDB und eine April-Befragung der BAUINDUSTRIE. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, prognostiziert: „Uns steht ein schwieriges Jahr bevor“.
Nachdem Bauunternehmen bei guter Auftragslage und günstigen Witterungsbedingungen dynamisch in das Baujahr gestartet waren, führt der Ukraine-Krieg seit Ende Februar zu einer Trendumkehr. Infolge der Sanktionen gegen Russland und ausbleibender Importe aus der Ukraine berichten laut einer aktuellen ZDB- Konjunkturumfrage 80 Prozent der Unternehmen über Lieferschwierigkeiten bei Material.
Davon betroffen sind insbesondere Stahl- und erdölbasierte Produkte wie Bitumen, Kunst- und Dämmstoffe. Hier sind auch erhebliche Preiserhöhungen zu verzeichnen, die – soweit möglich – an die Kunden weitergegeben werden. Häufig kämen, so der ZDB, angebahnte Verträge jetzt nicht mehr zum Abschluss und zur Umsetzung. Pakleppa: „Weniger als ein Viertel unserer Bauunternehmen erwarten in 2022 noch höhere Umsätze, gut 40 Prozent hingegen niedrigere Umsätze als in 2021.“ Das gelte insbesondere für den Wirtschaftsbau und den öffentlichen Bau.
Trendumkehr seit Februar
Laut Statistischem Bundesamt sah die Konjunkturentwicklung im Bauhaupt-
gewerbe zu Jahresbeginn noch anders aus: Demnach lag der Umsatz in den Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten per Februar bei 11,1 Milliarden Euro. Das waren 23,5 Prozent mehr als vor einem Jahr.
Berücksichtigt werden muss bei dieser Zahl allerdings die niedrige Ausgangsbasis in 2021, da es infolge der Absenkung der Mehrwertsteuer zu Vorzieheffekten in 2020, gerade im Wohnungsbau, gekommen war. Für einen guten Start in das Baujahr 2022 spricht jedoch auch der solide Orderzugang von 9 Prozent per Februar.
Ein ähnliches Stimmungsbild zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Bautätigkeit in Deutschland zeigt auch die Auswertung einer zweiten BAUINDUSTRIE- Umfrage, die vom 4. bis 7. April durchgeführt wurde und an der 328 Personen teilnahmen (1. Umfrage zwischen 14. und 17. März mit 451 Teilnehmern). Demnach gaben 91 Prozent der Teilnehmer an, Preissteigerungen und Lieferengpässe bei Baumaterial deutlich zu spüren. Jeder Vierte gab an, seine Geschäfte mit Russland eingeschränkt zu haben beziehungsweise dies zu planen.
71 Prozent berichteten von Verzögerungen bei laufenden Projekten, 29 Prozent über Auftragsstornierungen. Besonders betroffen von Preissteigerungen und Lieferproblemen sind laut BAUINDUSTRIE Dieselkraftstoff und Stahl (rund 78 Prozent). 57 Prozent berichteten über Lieferengpässe und Preissteigerungen bei Bitumen und Asphalt, 55 Prozent bei Zement/ Beton und 28 Prozent bei Spundwänden. 71 Prozent klagten über gestiegene Energiekosten.
Schwierige Planung
Was die Baubranche neben deutlichen Preissteigerungen ebenfalls beschäftigt, ist die schwierige Planbarkeit: So gaben 84 Prozent der Umfrageteilnehmer an, von den Lieferanten keine Preiszusagen mehr zu bekommen; 85 Prozent erhalten nur noch tagesaktuelle Preise. Die Preisentwicklung hat Auswirkungen auf die Angebotsabgabe: Aufgrund der derzeit nicht kalkulierbaren Situation berichteten 32 Prozent der Teilnehmer der BAUINDUSTRIE-Umfrage, dass sie keine Angebote mehr abgeben können. Jeder Zweite gab an, nur noch Auftraggeber zu bevorzugen, die eine Preisgleitung akzeptieren (Ergebnis der ersten Umfrage: 39 Prozent).
Laut der April-Befragung hatten sich 33 Prozent der Teilnehmer mit dem Auftraggeber auf eine Preisgleitung geeinigt; im März lag der Anteil dagegen nur bei 18 Prozent. Für 47 Prozent der Umfrageteilnehmer sieht es weniger rosig aus: Sie gaben an, die Preissteigerungen nicht weitergeben zu können. (BAUINDUSTRIE / ZDB)
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